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Plötzlich It-Girl - Wie ich versuchte, die größte Sportskanone der Schule zu werden

hier erhältlich:

Meine (neuen) Lebensziele:

1. Einen It-Girl-würdigen Start nach den Ferien an meiner Schule hinlegen (möglichst ohne peinliche Aussetzer).
2. Durch eigene Talente Berühmtheit erlangen (und nicht nur, weil mein Vater sich mit der bekanntesten Schauspielerin ever verlobt hat).
3. Eine Begabung finden, die den süßesten Jungen der Schule (Connor) ebenso beeindruckt wie das Zeichentalent der Neuen (die sich ihm so was von schamlos an den Hals wirft!). 4. Das bevorstehende Sportfest dazu nutzen, die Punkte 1, 2 und 3 zu erreichen.

LG, Anna xxx


  • Erscheinungstag: 03.03.2016
  • Aus der Serie: It Girl Serie
  • Bandnummer: 2
  • Seitenanzahl: 288
  • Altersempfehlung: 12
  • Format: Klappenbroschur
  • ISBN/Artikelnummer: 9783505137020

Leseprobe

 

Katy Birchall

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Aus dem Englischen von Verena Kilchling

 

Für Sam

Kapitel eins

 

Von: jess.delby@zingmail.co.uk

An: anna_huntley@zingmail.co.uk

Betreff: Komm mal wieder runter

 

Du bist also in einem Übertopf für Pflanzen stecken geblieben.

 

Na und? Ist doch keine große Sache.

 

J x

 

Von: anna_huntley@zingmail.co.uk

An: jess.delby@zingmail.co.uk

Betreff: Re: Komm mal wieder runter

 

Stimmt, hast recht. Das ist keine große Sache. Überhaupt keine große Sache, dass ein Video von mir, wie ich in einem Übertopf stecke und vergeblich wieder rauszukommen versuche, auf YouTube von MILLIONEN MENSCHEN angeklickt wurde!!

 

LG, Anna xxx

 

Von: jess.delby@zingmail.co.uk

An: anna_huntley@zingmail.co.uk

Betreff: So ein Quatsch

 

Hättest du wohl gern. Das Video wurde niemals von Millionen Leuten angeklickt, höchstens von ein paar Tausend. Lass mich mal nachgucken, dann kann ich es dir genau sagen . . .

 

HOPPLA. Es hat fast zwei Millionen Klicks! Innerhalb der letzten Stunde hat sich da offenbar einiges getan. Weißt du, was das heißt? Fast zwei Millionen Menschen haben dich in dem Übertopf stecken sehen!

 

Heute ist der schönste Tag in meinem Leben.

 

J x

 

Von: anna_huntley@zingmail.co.uk

An: jess.delby@zingmail.co.uk

Betreff: Re: So ein Quatsch

 

Ich werde nie wieder den Staubsaugerschrank verlassen. Ist mir völlig egal, dass Dad gerade einen Teller mit chinesischen Enten-Pfannkuchen direkt vor die Schranktür gestellt hat und mich damit herauszulocken versucht. Ich rieche es bis hier. Er hat sogar Hund in die Küche gesperrt, damit er sich nicht darüber hermacht. Hält sich wohl für oberschlau. Ha!

 

Wenn er denkt, dass er mich mit ein paar blöden Pfannkuchen aus meinem Versteck locken kann, kennt er mich schlecht.

 

Das verbietet allein schon mein Stolz. Schließlich ist ER an allem schuld. Ohne ihn wäre ich jetzt nicht die Lachnummer der NATION.

 

LG, Anna xxx

 

Von: jess.delby@zingmail.co.uk

An: anna_huntley@zingmail.co.uk

Betreff: Was?!

 

Warum soll dein Vater schuld sein? Erklärung bitte.

 

J x

 

Von: jess.delby@zingmail.co.uk

An: anna_huntley@zingmail.co.uk

Betreff: HALLO?

 

Jemand zu Hause? Meine letzte E-Mail ist schon fast eine Viertelstunde her. Warum gehst du nicht ans Handy? Was dein Telefon angeht, bist du echt nicht zu gebrauchen.

 

J x

 

Von: anna_huntley@zingmail.co.uk

An: jess.delby@zingmail.co.uk

Betreff: Re: HALLO?

 

Sorry, dass ich so spät antworte, musste meine Kissen aufschütteln. Wenn ich für den Rest meines Lebens hier im Schrank festsitze, muss ich es mir schließlich ein bisschen gemütlich machen. Ich kann nicht an mein Handy gehen, weil ich es ausgeschaltet habe. Es kamen ständig Anrufe und Nachrichten von Leuten an, die wissen wollten, wie es zu der Übertopfgeschichte kam. Das Gepiepe hat mich wahnsinnig gemacht.

 

LG, Anna xxx

 

Von: jess.delby@zingmail.co.uk

An: anna_huntley@zingmail.co.uk

Betreff: Durchschaut!

 

Du bist rausgekrochen, um dir die Enten-Pfannkuchen zu holen, stimmt’s?

 

J x

 

Von: anna_huntley@zingmail.co.uk

An: jess.delby@zingmail.co.uk

Betreff: Re: Durchschaut

 

Natürlich NICHT! Wofür hältst du mich?

 

So willensschwach bin ich jetzt auch wieder nicht.
Ein bisschen mehr Vertrauen, bitte.

 

Wie gesagt: Ich habe Kissen aufgeschüttelt.

 

LG, Anna xxx

 

Von: jess.delby@zingmail.co.uk

An: anna_huntley@zingmail.co.uk

Betreff: Hör auf zu lügen

 

Na klar. Ich wette, dein Dad hat seinen Fuß in die Tür gestellt, als du aus dem Schrank wolltest, um dir die Pfannkuchen zu schnappen. Hat es deshalb eine Viertelstunde gedauert, bis deine Antwort kam?

 

J x

 

Von: anna_huntley@zingmail.co.uk

An: jess.delby@zingmail.co.uk

Betreff: Re: Hör auf zu lügen

 

Nein. Ich habe Kissen aufgeschüttelt. Und danach habe ich dir zurückgeschrieben.

 

LG, Anna xxx

 

Von: jess.delby@zingmail.co.uk

An: anna_huntley@zingmail.co.uk

Betreff: Re: Re: Hör auf zu lügen

 

Ich habe gerade folgende Nachricht von deinem Dad gekriegt:

 

»Hallo Jess, Nick Huntley hier. Anna sitzt mal wieder im Staubsaugerschrank und will nicht rauskommen. Könntest du mal versuchen, mit ihr zu reden? Sie hat die Enten-Pfannkuchen gegessen, die ich ihr hingestellt habe, aber als ich mit ihr reden wollte, hat sie versucht, die Tür zuzuknallen, obwohl ich meinen Fuß dazwischen hatte. N.«

 

J x

 

Von: anna_huntley@zingmail.co.uk

An: jess.delby@zingmail.co.uk

Betreff: Re: Re: Re: Hör auf zu lügen

 

Und was willst du mir damit sagen?

 

LG, Anna xxx

 

Von: jess.delby@zingmail.co.uk

An: anna_huntley@zingmail.co.uk

Betreff: Du bist so was von lächerlich!

 

Sag mir endlich, warum dein Dad schuld sein soll.

 

J x

 

Von: anna_huntley@zingmail.co.uk

An: jess.delby@zingmail.co.uk

Betreff: Re: Du bist so was von lächerlich!

 

HALLO?! Natürlich ist es seine Schuld!

 

ER musste doch unbedingt diese bescheuerte Verlobungsparty in Helenas bescheuertem Haus feiern, wo bescheuerte Palmen-dinger in bescheuerten Riesentöpfen herumstehen! Als nichts ahnender Partygast kann man da ganz leicht rückwärts drüber stolpern, hineinstürzen, mit dem Hintern stecken bleiben und von irgendjemandem mit einem bescheuerten Smartphone dabei gefilmt werden, wie man versucht, wieder rauszukommen.

 

Wenn mein Dad Single geblieben wäre und sich nicht mit der berühmtesten Schauspielerin der Welt verlobt hätte, wäre ich niemals in einem Palmenübertopf stecken geblieben und könnte jetzt in FRIEDEN mein Leben weiterführen.

 

Außerdem: Warum hat dieser Mensch das Ganze GEFILMT, statt mir rauszuhelfen?! In was für einer Welt leben wir bloß? Warum hat er es gefilmt? WARUM?!

 

LG, Anna xxx

 

Von: jess.delby@zingmail.co.uk

An: anna_huntley@zingmail.co.uk

Betreff: Re: Re: Du bist so was von lächerlich!

 

Weil es ziemlich witzig aussah, wie du in dem Topf hingst, während oben deine Beine rausgeguckt haben und du wild mit den Armen gerudert hast.

 

Ich habe das Video zu meinen Favoriten hinzugefügt, damit ich es jederzeit mit einem Klick aufrufen kann.

 

Mein Dad hat es sich heute schon fünf Mal angeguckt. Er sagt, er will es gleich morgen früh im Büro an seine Kollegen weiterleiten.

 

J x

 

Von: anna_huntley@zingmail.co.uk

An: jess.delby@zingmail.co.uk

Betreff: Re: Re: Re: Du bist so was von lächerlich!

 

Die Leute werden sich bis in alle Ewigkeiten über mich schlapplachen.

 

Schlimmer hätte die Schule gar nicht wieder anfangen können.

 

Wie kommt es eigentlich, dass ich die Witzfigur der ganzen Woodfield Schule bin, obwohl ich erst vor ein paar Monaten zu euch gewechselt bin?

 

LG, Anna xxx

 

Von: jess.delby@zingmail.co.uk

An: anna_huntley@zingmail.co.uk

Cc: dantheman@zingmail.co.uk

Betreff: Aufmunterungskommando

 

Quatsch, natürlich hätte die Schule schlimmer wieder anfangen können, Anna. So wie nach den letzten Ferien, als du Josie Graham angezündet hast. Du erinnerst dich?

 

Ich habe Danny jetzt in den Verteiler genommen.

 

Danny, Anna ist am Boden zerstört, weil sie die neueste Videosensation auf YouTube ist. Hast du vielleicht ein paar nette Worte für sie übrig?

 

J x

 

Von: dantheman@zingmail.co.uk

An: jess.delby@zingmail.co.uk

Cc: anna_huntley@zingmail.co.uk

Betreff: Re: Aufmunterungskommando

 

Ich habe mir das Video angeguckt, und es ist eindeutig eine Dracaena, in der du gelandet bist, Anna, keine Palme, auch wenn man diese Spezies aufgrund ihrer ähnlichen Form leicht mit Palmen verwechseln kann. Der Name Dracaena kommt vom griechischen Wort drakaina, das bedeutet »Drache«. Deshalb werden diese Pflanzen auch Drachenbaum genannt. Den Namen tragen sie, weil der Saft, den sie absondern, wenn man ihren Stamm einritzt, an Drachenblut erinnert.

 

Danny

 

Von: anna_huntley@zingmail.co.uk

An: dantheman@zingmail.co.uk

Cc: jess.delby@zingmail.co.uk

Betreff: Na, dann ist ja gut

 

Ich hasse mein Leben.

 

Wir sehen uns in der Schule.

 

LG, Anna xxx

 

Von: jess.delby@zingmail.co.uk

An: anna_huntley@zingmail.co.uk;
dantheman@zingmail.co.uk

Betreff: Re: Na, dann ist ja gut

 

Schon drei Millionen Klicks, und es werden immer mehr!

 

J x

Kapitel zwei

 

»Die Geschichte wird deine Beliebtheit noch mal so richtig ankurbeln, glaub mir«, sagte Jess und lehnte sich mit dem Rücken gegen die Tür der Toilettenkabine.

»Aha, und wie?«

»Erstens . . .« Jess nahm so schwungvoll ihre Tasche vom Boden hoch, dass ihr Chemiebuch herausrutschte und auf den Boden polterte. Genervt verzog sie das Gesicht. »Erstens wirkst du dadurch nahbar.«

»Nahbar?!« Ich zog meine Knie dichter an meine Brust heran und hatte Mühe, auf dem geschlossenen Toilettendeckel nicht das Gleichgewicht zu verlieren.

»Ja.« Jess zwängte sich in die hintere Ecke der Kabine und angelte umständlich nach ihrem Buch, wobei ihre Stirn nur knapp meine Knie verfehlte. »Nahbar. Du bist eine vom Volk. So wie Prinzessin Diana früher.«

»Ich kann mich nicht daran erinnern, dass Diana, Prinzessin von Wales, jemals in einem Übertopf stecken geblieben wäre«, schnaubte ich entrüstet.

»Liegt wahrscheinlich nur daran, dass es damals noch keine Smartphones gab«, erwiderte Jess tröstend.

»Oh Mann, das ist alles so was von peinlich.«

Jess sah mich ungeduldig an. Mir war klar, dass ihr Mitleid deutlich geschrumpft war, seit ich sie gezwungen hatte, sich vor Unterrichtsbeginn mit mir in einer Toilettenkabine zu verstecken.

»Sprichst du inzwischen wieder mit deinem Dad?«, fragte sie.

Ich seufzte. Vielleicht war mein Missgeschick bei seiner und Helenas Verlobungsparty doch nicht ganz allein seine Schuld gewesen, aber dafür alles andere, was sich bis zu diesem Zeitpunkt ereignet hatte.

Man sollte meinen, dass sich das Leben zum Besseren wendet, wenn der eigene Vater beschließt, die berühmteste Schauspielerin der Welt heiraten zu wollen. Denn damit geht einher, dass man plötzlich nicht nur eine zukünftige Stiefmutter hat, auf deren Kaminsims zwei Oscars stehen, sondern gleichzeitig auch noch eine zukünftige Stiefschwester, die ganz zufällig das angesagteste It-Girl Großbritanniens ist und von der ganzen Welt agehimmelt wird.

Tja, falsch gedacht. Seit Dads völlig unerwarteter Enthüllung vor einigen Monaten habe ich:

 

  1. Mir die beliebtesten Schüler meines Jahrgangs zu Feinden gemacht.
  2. Versehentlich versucht, Queen Sophie den Freund auszuspannen.
  3. Unbeabsichtigt ihre beste Freundin angezündet.
  4. Vor dem gesamten Jahrgang kopfüber in einem Wasserfall gebaumelt und dabei allen mein Wolverine-Unterhemd präsentiert.
  5. Von der Presse ungewollt den Stempel »It-Girl« auf­gedrückt bekommen und bei dem Versuch, mich durch meinen neuen Status in der Schule beliebter zu machen, beinahe meine zwei besten Freunde Jess und Danny verloren.
  6. Vor der GESAMTEN Schule den Titelsong des Musicals Fame gesungen, falsch und ohne Musikbegleitung.
  7. Mich dabei filmen lassen, wie ich rückwärts in einen Übertopf gefallen bin. Das Video davon ist derzeit der Renner auf YouTube.

 

Man könnte also sagen, dass Dads überraschende, äußerst öffentliche Verlobung nicht unbedingt förderlich war für meine mentale und emotionale Entwicklung als Teenager.

Außerdem war es ziemlich ärgerlich, dass er die Verlobungsparty bei Helena zu Hause feiern wollte statt in einer supercoolen exklusiven Location irgendwo in London. Ich meine: Hallo?! Er heiratet demnächst die berühmteste Schauspielerin der Welt, und wo zelebrieren die beiden ihre Verlobungsparty? Bei ihr zu Hause?

Ziemlich enttäuschend, wenn ihr mich fragt.

Trotzdem: Nüchtern betrachtet war es wohl eher nicht seine Schuld, dass ich in diesen Übertopf gefallen bin. Ich mache nicht einmal Helena einen Vorwurf, weil sie Drachenbäume bei sich zu Hause herumstehen hat. Es gibt natürlich Leute, für die solche Bäume eine eher unnötige Hausflurdeko wären. Und ja, es gibt auch Leute, die vielleicht daran gedacht hätten, die Dinger vorher aus einem Raum zu entfernen, in dem sich massenhaft Gäste tummeln.

Aber ich habe beschlossen, über diesen Mangel an gesundem Menschenverstand großzügig hinwegzusehen. Für meine Totalblamage kann ich eigentlich nur einen Menschen verantwortlich machen: den Erfinder der Fleischpastete.

Das habe ich auch zu Jess gesagt.

»Du gibst einer Fleischpastete die Schuld?«

»Nein, der Person, die die Dinger erfunden hat«, korrigierte ich. »Ich habe schon im Internet recherchiert, aber da wird niemand namentlich genannt. Ich wette, es war jemand mit einer Katze.«

Jess sah mich verwirrt an, was ich absolut nicht verstehen konnte. »Was haben denn Katzen damit zu tun?«, fragte sie. »Und warum unterhalten wir uns überhaupt über Fleischpasteten?«

»Weil sie der Grund dafür sind, dass wir uns überhaupt in diesem ganzen Schlamassel befinden!«, erklärte ich genervt.

 

Auf der Party hatte ich gerade glücklich und zufrieden Marianne Montaine gelauscht, meiner zukünftigen It-Girl-Stiefschwester, die von ihrem total berühmten Freund, dem Rockstar Tom Kyzer, schwärmte. Bis Dad mich genötigt hatte, mit ihm zu kommen, weil er mich irgendeinem uralten Schriftstellerfreund vorstellen wollte. Die beiden haben sich noch nicht mal über spannende Themen wie Rockstars unterhalten, nur über Geschichte und Politik. Dafür interessiert sich doch kein Mensch.

Zum Glück entdeckte ich in diesem Moment einen Kellner, der mit einem Teller Fleischpasteten vorbeikam und mir die perfekte Ausrede lieferte, mich davonzustehlen. »Entschuldigung, ich hole mir mal kurz eine Fleischpastete«, verkündete ich in die Runde.

Aber der Kellner war inzwischen wieder Richtung Küche davongeeilt, also heftete ich mich an seine Fersen. Dabei sah ich verstohlen über meine Schulter zurück, weil ich wissen wollte, ob mich jemand beobachtete, und bekam so nicht mit, dass der Kellner mit einem großen Tablett voller Fleischpasteten wieder aus der Küche kam. Ich konnte ihm gerade noch ausweichen, doch er stieß einen Schrei aus und erschreckte mich damit so, dass ich das Gleichgewicht verlor und rückwärts in den Übertopf fiel.

Jess sah mich blinzelnd an. »Und deshalb hast du jetzt was gegen Fleischpasteten?«

»Gegen den Erfinder der Fleischpasteten. Die Pasteten selbst trifft keine Schuld.«

»Aha. Interessante Story, aber vollkommen unlogisch.« Jess nickte. »Können wir jetzt bitte aus dieser Kabine raus? Hier drin ist echt nicht genug Platz für uns beide.«

»Aber da draußen sind Leute

»Ja, und die sind sicher schon ganz heiß auf deine Fleischpasteten-Übertopf-Geschichte.«

»Jess, nimm das bitte ernst. Ich bin überall im Internet. Alle werden mich auslachen. Mal wieder.«

»Bestimmt nicht. Und wenn doch, kriegen sie Ärger mit mir.«

»Versprochen?«

»Ja.«

»Also gut«, gab ich zögernd nach. Jess riss die Tür auf und blieb dahinter stehen, während ich nervös zu den Waschbecken hinaustappte und mich davon überzeugte, dass die Luft rein war. Sie folgte mir.

»Schon viel besser«, sagte sie seufzend und stellte ihre Tasche ab, um sich vor dem Spiegel mit den Fingern durch die Haare zu fahren. »Wo waren wir gerade stehen geblieben?«

Noch während sie es sagte, ging die Tür auf, und zwei jüngere Schülerinnen kamen aufgeregt tuschelnd herein. Als sie uns sahen, verstummten sie. Dann griff eine der beiden eilig in ihren Rucksack und zog einen Schreibblock heraus. »Hi Anna«, kiekste sie und kam näher. »Kann ich hier ein Autogramm von dir haben?«

Jess lächelte mir aufmunternd zu. Dieses Mädchen gehörte offenbar nicht zu den vier Millionen Menschen, die das Übertopfvideo gesehen hatten. Welche Erleichterung.

»Natürlich«, antwortete ich betont lässig, nahm den rosa Glitzerkugelschreiber entgegen, den sie mir hinhielt, und malte ein schwungvolles AH auf die Seite.

»Danke!«, kicherte sie. »War voll lustig, wie du in dem Übertopf gesteckt hast.«

Ich warf Jess einen auffordernden Blick zu. Wenn dieses Mädchen keine Standpauke von ihr verdient hatte, dann wusste ich es auch nicht.

»Ja, mega-witzig, oder?«, kicherte Jess, bevor sie mein Gesicht sah und abrupt verstummte. »Na ja, äh . . . so witzig war es auch wieder nicht.«

Ich zog einen Schmollmund und rauschte mit hocherhobenem Kopf an den beiden Schülerinnen vorbei aus der Mädchentoilette.

Während die Tür hinter mir zuschwang, hörte ich das erste Mädchen sagen: »Das stelle ich auf Ebay ein.«

»Na gut, das war vielleicht nicht gerade die beste Standpauke, die ich je gehalten habe«, gab Jess zu, während sie neben mir den Schulflur entlangeilte. »Aber von jetzt an werde ich ernsthaft sauer, wenn es jemand auch nur wagt, eine Topfpflanze zu erwähnen.« Sie wartete geduldig, während ich am Zahlenschloss meines Schließfachs herumfummelte.

»Hat hier jemand Topfpflanze gesagt?«

Ich tat Danny nicht den Gefallen, mich nach ihm umzudrehen.

»Nein, Danny«, tadelte Jess streng. »Das ist nicht in Ordnung.«

»Ach ja?«, erwiderte er defensiv. »Du bist doch diejenige, die das Video sogar an ihre Verwandten in Kanada geschickt hat!«

Ich sah Jess vorwurfsvoll an. Sie hob abwehrend die Hände. »Ich weiß gar nicht, wovon er redet. Ich habe dein Video definitiv nicht an meine vier Verwandten in Kanada und einen unbekannten Cousin zweiten Grades in Neuseeland geschickt.«

»Kopf hoch«, sagte Danny fröhlich und stupste mich in die Seite. »Das geht vorbei.«

»Kann es bitte schnell vorbeigehen?«, zischte ich und ließ den Blick nervös zu einem Grüppchen Schüler wandern, die fasziniert auf ein Handy starrten, in Gelächter ausbrachen und zu mir herüberstarrten.

»Du hast wirklich wichtigere Dinge, um die du dich kümmern musst«, erklärte Jess grinsend. »Deinen Freund zum ­Beispiel.«

Ich errötete heftig. »Connor ist nicht mein Freund.«

»Noch nicht. Aber ihr würdet super zueinanderpassen,
ihr seid beide ein bisschen schräg«, lautete
Jess’ nüchternes Urteil.

»Hast du ihn in den Ferien oft gesehen?«, fragte Danny, während Jess ihm durch die blonden Locken wuschelte. Er wehrte sich entrüstet.

»Nur ab und zu«, antwortete ich leise und vergewisserte mich, dass Connor nicht in der Nähe war. Ich wusste immer noch nicht, warum mich dieser megasüße, Comics zeichnende, in jeder Hinsicht perfekte Junge, bei dem meine Hände feucht wurden, wenn er mich nur anlächelte, immer noch zu mögen schien, trotz all der peinlichen Situationen, in die ich vor den Ferien geraten war. Zumindest glaubte ich, dass er mich noch mochte . . . »Wir haben ein paarmal Filme zusammen geguckt.«

»Uuuuuund?«, fragte Jess.

»Und was?«

Sie seufzte. »Die Frage habe ich dir schon die ganzen Ferien über gestellt, aber du weichst mir ständig aus. Glaub nicht, ich würde es nicht merken.«

»Ich habe keine Ahnung, wovon du sprichst«, erwiderte ich und wandte mich wieder dem Inhalt meines Schließfachs zu, in der Hoffnung, dass Jess sich nicht über meine glühenden Wangen lustig machte.

»Habt ihr euch . . . geküsst?«

»Jess!«, rief ich und knallte mit dem Hinterkopf gegen die Schließfachtür, die hinter mir gerade dabei gewesen war zuzufallen.

»Habt ihr oder habt ihr nicht, du Tollpatsch?«, fragte Jess lachend und schob die Tür wieder für mich auf, während ich mir den Kopf rieb.

»Es hat sich nicht ergeben.«

Danny zog die Augenbrauen hoch. »Das überrascht mich jetzt.«

»Warum?«

»Weil ihr aufeinander steht, das sieht ein Blinder mit dem Krückstock.« Er zuckte mit den Schultern. »Aber so was lässt sich wahrscheinlich nicht übers Knie brechen.«

»Seit wann verstehst du was von solchen Themen, Dr. Casanova?«, schnaubte Jess.

»Casanova war kein Doktor.« Danny verdrehte die Augen. »Ich wollte damit doch nur andeuten, dass Connor und Anna beide ziemlich schüchtern sind. Und dass Anna ein bisschen ungeschickt ist im Umgang mit anderen Menschen.«

»Ich bin nicht ungeschickt!«, protestierte ich.

Beide sahen mich schweigend an.

»Wie auch immer: Warum hat sich Connor nicht einfach auf dich gestürzt?«, rief Jess.

»NICHT SO LAUT, JESS!«, zischte ich verzweifelt.

Auch wenn ich mich über Jess’ mangelndes Feingefühl ärgerte, musste ich zugeben, dass ich mir diese Frage auch schon gestellt hatte. Connor und ich hatten uns während der Osterferien nicht besonders oft gesehen, weil mein Terminplan so voll gewesen war, unter anderem mit den Promi-Events, auf die ich Helena und Marianne neuerdings begleiten musste. Auch Connor hatte nicht viel Zeit gehabt, weil er Zeichenunterricht genommen und an seinem Comic-Roman Das sagenhafte It-Girl gearbeitet hatte.

Trotzdem: Es hätte genügend Gelegenheiten für ihn gegeben, sich . . . na ja, auf mich zu stürzen.

»Das geht euch nichts an.« Ich wühlte im Schließfach nach meinen Büchern und stopfte sie in meine Schultasche.

»Ich bitte dich, natürlich geht uns das was an! Du hast selbst schon darüber nachgedacht, das sehe ich doch«, zog mich Jess auf.

»Habe ich nicht. Na ja, vielleicht ein bisschen . . . Glaubst du, dass er . . .?«

»Ähem.« Sophie Parker, die unangefochtene Queen der Schule, war mit ihrer allgegenwärtigen Hofdame Josie Graham zu uns herübergestöckelt. Josies mürrischem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, hatte sie mir immer noch nicht verziehen, dass ich ihre Haare in Brand gesteckt hatte. Dabei war das schon Monate her.

»Hallo Anna«, sagte Sophie kühl.

»Hi Sophie, wie waren deine Osterferien?«

»Super, ich habe sie hauptsächlich mit Brendan verbracht.«

Ich stöhnte innerlich auf. Brendan war der beliebteste Junge der Schule, und um allen zu beweisen, dass auch ich beliebt war, hatte ich im Frühjahr versehentlich (und nur ganz kurz) versucht, ihn Sophie auszuspannen. Aber das war Schnee von gestern. Hoffentlich. »Wie schön.«

»Allerdings«, erklärte Josie und grinste höhnisch hinter Sophies Rücken hervor. »Weil sie nämlich mit Brendan zusammen ist. Und mit Brendan zusammen zu sein, ist sogar sehr schön.«

Danny schnaubte.

»Danke, Josie, das reicht«, zischte Sophie ihrer Freundin zu, die ein verlegenes Gesicht machte.

»Miss Duke will dich in ihrem Büro sprechen, Anna«, teilte mir Sophie mit und blickte auf ihre perfekt manikürten Fingernägel hinunter. »Nicht schlecht, gleich am ersten Schultag nach den Ferien zur Direktorin bestellt zu werden. Ach ja: Vergiss nicht, dir die verschiedenen Disziplinen für den Sporttag anzugucken. Ich habe gerade die Liste ans Schwarze Brett gehängt

»Sophie wurde von den Sportlehrern damit beauftragt«, fügte Josie so selbstgefällig hinzu, als wäre ihre Freundin auf dem Titel der Zeitschrift Vogue erschienen.

»Ich nehme an, du lässt dich dieses Jahr als Mannschaftskapitänin der Papageientaucher aufstellen, Jess.« Sophie hob eine Augenbraue. »Für mich ist das natürlich keine Konkurrenz – ich werde nämlich die Adler anführen.«

»Nein, ich lasse mich nicht aufstellen«, antwortete Jess ruhig, während ich verwirrt in die Runde blickte. Papageientaucher? Adler? Hatte sich meine Schule über Ostern in ein Vogelschutzgebiet verwandelt? »Ich will mich bis zu den Sommerferien ganz auf mein Kunstprojekt und die Fotografie konzentrieren. Du brauchst also keine Angst zu haben, dass ich mit dem Siegerpokal vor dir herumwinke, wenn wir Papageientaucher gewinnen. Wer auch immer unser diesjähriger Mannschaftskapitän wird, er wird mich diesbezüglich sicher würdig vertreten.«

»Oh, ich bitte dich!« Sophie brach in gackerndes Gelächter aus. »Die Papageientaucher haben die Adler seit Jahren nicht mehr geschlagen! Alle wissen, dass ihr gegen uns keine Chance habt. Außerdem . . .« Sie betrachtete mich abfällig von oben bis unten. »Außerdem habt ihr Papageientaucher dieses Jahr nicht gerade die besten Sportler im Team. Viel Glück, Anna.« Sie grinste. »Soviel ich weiß, hat keine der Disziplinen mit Übertöpfen zu tun, du hast also vielleicht sogar eine Chance.« Sie machte auf dem Absatz kehrt und stolzierte den Flur entlang davon, dicht gefolgt von einer laut lachenden Josie.

Ich sah Jess vorwurfsvoll an.

»Keine Sorge, ich informiere dich später noch ausführlich über den Sporttag.«

»Äh . . . und was ist mit der Übertopf-Standpauke, die du mir versprochen hattest?«

»Ach, Mist!«

Kapitel drei

 

Was ist los?

 

Nichts ist los. Ich konzentriere mich, Jess.

 

Niemand konzentriert sich, wenn Miss Brockley
eine Sprache an die Tafel schreibt, die kein Mensch
auf diesem Planeten versteht.

 

Oh doch. Sie schreibt wichtige Vokabeln an die Tafel, die wir für die Abschlussprüfung brauchen. Außerdem gibt es sehr wohl Menschen auf diesem Planeten, die Französisch verstehen.

 

Wen denn, zum Beispiel?

 

Na ja, ich würde jetzt mal den gewagten Tipp abgeben, dass Franzosen vermutlich Französisch verstehen.

 

Kannst du mir bitte endlich verraten, was mit dir los ist, damit wir möglichst schnell zum nächsten Schritt übergehen können (ich sage dir, dass du mal wieder übertreibst, und du kriegst dich wieder ein)? Machst du dir Sorgen wegen des Sporttags? Ich hab doch versprochen, dass ich dir das mit den Papageientauchern erkläre. Die Schule ist einfach in zwei Mannschaften aufgeteilt, kein Grund zur Panik.

 

Bescheuerte Tradition, wenn du mich fragst. Aber nein: Ich mache mir keine Sorgen wegen des Sporttags jedenfalls noch nicht. Kommt bestimmt noch.

 

Hat Miss Duke was Unangenehmes zu dir gesagt? Hat sie dich darauf hingewiesen, dass du komisch läufst?

 

Nein, sie wollte nichts Besonderes, sie hat nur . . . Moment mal, wie bitte? Was ist denn daran komisch, wie ich laufe?

 

Ach nichts.

 

Jess! Was ist an meiner Art zu laufen komisch?

 

Gar nichts, ehrlich. Hör auf, mir Zettel zu schicken. Ich konzentriere mich.

 

Jetzt machst du mir wirklich Angst. Warum sollte die Direktorin unserer Schule mit mir über meine Art zu gehen sprechen wollen?!

 

Oh Mann, musst du aus allem so ein Drama machen? Du gehst halt ein bisschen komisch, das ist alles. Du . . . lässt dich irgendwie in jeden Schritt hineinplumpsen. Hätte ja sein können, dass sie denkt, du müsstest deswegen mal zum Arzt. Aus reiner Fürsorge. Aber jetzt sag mir, was mit dir los ist! Du guckst so komisch. Ist es wegen Connor?

 

Vergiss, was mit Connor ist. Jetzt kann ich sowieso nur noch über meine >>Plumps-Schritte<< nachdenken.

 

Aha! Es ist also wegen Connor! Spuck’s aus.

 

Ach, gar nichts. Ich bin ihm heute Morgen über den Weg gelaufen.

 

Wann?! Was hat er gesagt???

 

Als ich aus Miss Dukes Büro kam. Ich wäre fast in sie hineingelaufen.

 

Sie? Wen meinst du mit SIE?

 

IHN meinte ich. Sonst niemand. Oh-oh, ich glaube, Miss Brockley guckt in meine Richtung. Nein, doch nicht, sie guckt an mir vorbei. Ich bin so was von unauffällig beim Zettelschreiben. Die hat keine Ahnung. Ist die doof. Na ja, jedenfalls . . .

 

»Wie, du musst nachsitzen?!«

Ich verstehe nicht, warum Dad immer aus jeder Mücke einen Elefanten macht. Wie damals, als wir irgendwo in der irischen Pampa Urlaub gemacht haben und ich aus Spaß seinen Autoschlüssel in einem Gebüsch versteckt habe, um ihm ein bisschen Angst einzujagen. Ich konnte ja nicht ahnen, dass mir entfallen würde, in welchem Gebüsch der Schlüssel war. Das hat er mir noch tagelang vorgehalten.

Und jetzt war er wieder voll sauer auf mich, nur weil ich so liebenswürdig war, ihn anzurufen und ihm mitzuteilen, dass ich später zum Abendessen nach Hause kommen würde.

»Ich habe mich in Französisch dabei erwischen lassen, wie ich mit Jess Zettel geschrieben habe.«

»Und dafür musst du nachsitzen? Das finde ich ein bisschen übertrieben«, schnaubte Dad. »Ich komme vorbei und rede mal mit deiner Lehrerin.«

»Auf dem Zettel, den sie mir abgenommen hat, habe ich sie als doof bezeichnet, weil sie nicht mitkriegt, dass wir uns Briefchen schicken.«

Am anderen Ende der Leitung herrschte Schweigen, dann war ein lang gezogener Seufzer zu hören.

»Na schön. Aber komm bitte gleich im Anschluss nach Hause, wir haben heute Abend Gäste.«

»Wer kommt denn? Ach, egal«, beeilte ich mich zu sagen, weil Jess neben mir stand und mit den Lippen das Wort »Mittagessen« formte. »Ich muss los, Dad, wir sehen uns nachher zu Hause.«

»Tschüss, Anna«, sagte er mürrisch. »Es wäre schön, wenn du heute keine weiteren Lehrer mehr beleidigen würdest.«

Ich verdrehte die Augen, verabschiedete mich und legte auf, bevor ich mich mit Jess zur Schulmensa aufmachte.

»Warum kommt ihr zwei eigentlich immer zu spät?«, grummelte Danny, der plötzlich hinter uns aufgetaucht war.

»Sie ist doch ein It-Girl«, antwortete Jess grinsend. »Es ist total uncool, pünktlich zu kommen. Außerdem musste Anna telefonieren.«

»Du brauchst gar nicht so vielsagend zu gucken«, sagte ich zu Danny, der mich mit hochgezogenen Augenbrauen ansah. »Es war nur mein Dad.«

Als ich mich kurz darauf mit meinem Tablett neben Danny setzte, merkte ich auf einmal, dass mich die ganze Schulmensa anstarrte und dass von Sophies Tisch Gekicher herüberdrang.

»Was denn?«, fragte Jess mit in die Hüften gestemmten Händen. »Habt ihr noch nie eine Prominente gesehen? Beruhigt euch mal, Leute.«

Es folgte unbehagliches Schweigen, bevor reihum die Gespräche wieder einsetzten. Ich lächelte Jess dankbar zu. »Lieb von dir.«

»Ach, was soll’s«, sagte sie und pickte die Pilze von ihrem Hühnchen. »Wahrscheinlich haben sie nur hergestarrt, weil du so komisch gehst. Nicht wegen der Übertopfgeschichte.«

»Danny«, fragte ich, »findest du etwa auch, dass ich komisch gehe?«

Er zuckte mit den Schultern. »Vielleicht ein bisschen. Nicht wirklich. Wenn, dann ist es mir noch nicht aufgefallen.«

»Wie würdest du Annas Art zu gehen denn beschreiben?«, wollte Jess wissen und griff nach ihrem Wasserglas. »Wenn du es mit einem Satz erklären müsstest?«

»Keine Ahnung.« Danny machte ein nachdenkliches Gesicht. »Sie plumpst so ein bisschen, würde ich sagen

»Oh Mann«, rief ich, während Jess triumphierend die Augenbrauen hob. »Plumpsen ist doch noch nicht mal ein richtiges Wort!«

»Ist es wohl. Du plumpst beim Gehen«, erklärte sie mit einem selbstgefälligen Hab-ich’s-dir-nicht-gesagt-Grinsen. »Sagst du mir jetzt, was heute Morgen mit Connor war?«

»Jess!« Ich sah mich nervös um. »Hör auf, so laut über ihn zu reden.«

»Er ist nicht da, ich habe vorher geguckt.«

Ich reckte den Hals, um meinen Blick unauffällig über die Tische der Schulmensa schweifen zu lassen. »Du hast recht. Ich frage mich, wo er ist.«

»Das müsstest du doch eigentlich wissen«, zog mich Jess auf. »Schließlich ist er dein Freund.«

»Wie war dein Schultag bisher, Danny?«, versuchte ich, das Thema zu wechseln.

»Ach, du weißt schon, das Übliche: Lehrer, die versuchen, uns Angst vor den Abschlussprüfungen zu machen«, antwortete er seufzend. »Gestern Abend habe ich übrigens eine total gute Tierdoku gesehen. Wusstet ihr, dass Skorpione die Scheren von paarungswilligen Artgenossen mit ihren eigenen umklammern und so ihren Balztanz beginnen?«

»Ey, voll interessant, Danny«, sagte Jess und sah ihn kopfschüttelnd an. »Und? Hat Connor das auch schon mit dir gemacht, Anna?«

»Was gemacht?« Ich spielte mit meinem Essen herum.

»Deine Scheren umklammert und mit dir einen Balztanz begonnen?«

»Na ja, vor den Ferien haben wir auf dem Beatus-Ball zusammen getanzt«, antwortete ich schulterzuckend.

»Da haben alle miteinander getanzt«, winkte Jess ab. »Außerdem hat er auf der Tanzfläche ein Erdmännchen imitiert. Ich glaube nicht, dass das als Balztanz durchgeht . . . aber da fragen wir wohl am besten Marianne. Komm schon, jetzt erzähl endlich, was heute Morgen mit Connor war. Du hast in Französisch so komisch geguckt

»Eigentlich war gar nichts. Wir haben uns nur unter­halten.«

»Keine leidenschaftlichen Küsse?«

»Nein, Jess! Der Flur vor Miss Dukes Büro ist ja wohl kaum eine romantische Kulisse für so was«, zischte ich. »Und jetzt hör auf, so laut über . . . übers Küssen zu reden! Was ist, wenn dich jemand hört?«

Jess verdrehte die Augen, verstummte jedoch, und Danny fing wieder an, von seinen Skorpionen zu faseln.

Es stimmte, was ich gesagt hatte: Connor und ich hatten uns wirklich vor Miss Dukes Büro unterhalten, aber ich verriet Jess nicht, dass wir bei dem Gespräch nicht allein gewesen ­waren.

Im Büro unserer Direktorin war ich kaum eine halbe Minute gewesen. Sie hatte nur wissen wollen, wie es mir nach der ganzen Geschichte mit dem Übertopf und der ungewollten Internet-Berühmtheit ging.

»Ach, weißt du . . .«, hatte sie begonnen und dabei offenbar krampfhaft überlegt, wie sie mich trösten sollte. »So etwas geht vorbei.«

»Hoffentlich. Das Internet ist da leider keine große Hilfe.«

»Ja, heutzutage ist das mit dem Berühmtsein noch schwieriger als früher, fürchte ich.« Sie lehnte sich nachdenklich auf ihrem Stuhl zurück, wie eine weise, gütige Eule. Mit ihren runden Augen und ihren spitzen Gesichtszügen sah sie wirklich ein bisschen eulenartig aus, wie mir jetzt auffiel.

»Ich weiß noch nicht mal, warum ich überhaupt berühmt bin. Außer in einen Übertopf zu fallen, habe ich doch gar nichts getan.« Ich schüttelte den Kopf. »Ganz schön ungerecht.«

»Wenn dir die ganze Sache über den Kopf wächst, bin ich jederzeit für dich da.« Miss Duke sah mich voller Anteilnahme an.

Ich lächelte ihr zu und wollte aufstehen, aber sie fuhr fort: »Außer freitagmittags. Da spiele ich mit Mrs Ginnwell Cluedo und muss absolut ungestört sein, weil ich meine volle Konzentration brauche.«

Ich wollte schon laut losprusten, als ich ihren todernsten Gesichtsausdruck bemerkte. Also nickte ich nur, verabschiedete mich und verließ ihr Büro.

Auf dem Flur entdeckte ich dann Connor, der sich gerade angeregt mit einem Mädchen aus unserem Jahrgang unterhielt. Stephanie. Ich kannte sie nicht besonders gut und hatte auch nicht gewusst, dass Connor mit ihr befreundet war, aber das war nicht zu übersehen. Sie lachte laut und warf glamourös ihre glänzenden Haare zurück. Warum hatte mir Connor nie von seiner Freundschaft mit ihr erzählt?

Wie vor den Kopf geschlagen wollte ich gerade in die andere Richtung verschwinden, als Connor mir plötzlich zurief: »Spidey!«

»Äh, hi«, sagte ich und drehte mich langsam zu ihm um. Dabei spürte ich, wie ich bis in die Haarspitzen errötete. Connor nannte mich »Spidey«, seit er beim gemeinsamen Nachsitzen festgestellt hatte, dass ich seine Liebe für Spider-Man und alles, was mit Marvel-Comics zu tun hatte, teilte. Sonst wurde ich für meine Comic-Leidenschaft oft gehänselt, vor allem von Jess, die meinen »Marvin-Fimmel« voll »nerdig« fand. Dabei hatte ich ihr schon hundert Millionen Mal erklärt, dass es »Marvel« hieß, nicht »Marvin«.

Nur Connor nahm mich deswegen nicht auf den Arm. Er verstand mich, schließlich hatte er sogar selbst schon einen Comic gezeichnet, der Das sagenhafte It-Girl hieß und von mir inspiriert war. Das war das Schönste, was jemals jemand für mich getan hatte.

»Was treibst du dich hier so verstohlen herum?«, fragte er grinsend und schlenderte zu mir herüber. »Wo kommst du her?«

»Aus Miss Dukes Büro.«

»Echt? Wir hatten noch nicht mal die erste Unterrichtsstunde nach den Ferien.« Er verschränkte die Arme und lächelte spitzbübisch. »Das ist selbst für dich ein Rekord, Anna.«

»Sie wollte nur . . . äh . . . sie wollte nur wissen, wie es mir geht. Nach der Sache mit dem Übertopf.«

»Ah ja.« Connor nickte langsam, mit einem Gesichtsausdruck, den ich nicht richtig einordnen konnte.

Ausgerechnet in diesem Moment gesellten sich Stephanie und ihr unglaublich glänzendes Haar zu uns. Mir fiel auf, dass sie einen breiten, stumpf geschnittenen Pony trug, wie ich ihn mir auch schon immer gewünscht hatte. Aber ich wusste, dass ich niemals den Mut dazu aufbringen würde. Einmal hatte ich mir zu Hause die Haare nach vorn gekämmt, um zu sehen, ob mir ein breiter, gerader Pony den bei Prominenten so angesagten Nerd-Look verschaffte. Genau in diesem Moment war Dad hereingekommen und hatte mich gefragt: »Spielst du wieder Szenen aus Black Beauty nach?«

Da beschloss ich, dass ein Pony vielleicht doch nicht der passende Look für mich war.

»Hi Anna, hattest du schöne Ferien?«, fragte Stephanie.

»Äh ja, danke. Hab nicht viel gemacht«, log ich, in der Hoffnung, dass sie der einzige Mensch auf der Welt war, der das Übertopfvideo nicht gesehen hatte.

»Ich habe das Gefühl, dass ich die ganze Zeit nur am Schreibtisch gesessen und gepaukt habe«, sagte Stephanie und verdrehte die Augen.

»Ja, spaßig war das nicht gerade«, stimmte ihr Connor zu. »Aber es gab auch ein paar Highlights in den Ferien.«

In meinem Bauch kitzelte es. Redete er etwa über die Stunden, die er mit mir verbracht hatte? Bestimmt, denn ansonsten hatte er nur gelernt und den Zeichenkurs besucht. Oh Gott, Connor hatte mich gerade als HIGHLIGHT bezeichnet! Ich konnte es kaum erwarten, Marianne und Jess davon zu erzählen!

»Na ja, man könnte natürlich von Highlights sprechen, aber stressig waren die eigentlich auch«, sagte Stephanie und knuffte Connors Arm.

Das finde ich jetzt aber ein bisschen ungerecht, dachte ich. Die Zeit, die er mit mir verbracht hat, war nicht stressig!

Na gut, es hatte ein paar kurze Stressmomente gegeben, zum Beispiel, als mich im Park eine Gans verfolgt hatte. Aber das war nur ein einziges Mal passiert, und Connor hatte es ziemlich lustig gefunden, nicht stressig. Da war ich mir sicher.

»Wir haben viel daraus gelernt«, sagte Connor.

Absolut. Nächstes Mal trete ich der Gans sofort mein Brot ab.

»Kann schon sein, aber ich fand es in der Milchshake-Bar trotzdem deutlich entspannter.«

Moment mal. Eine Milchshake-Bar war definitiv nicht in meinen Ferien vorgekommen. Wovon redeten die beiden?

»Sorry, Anna, ich hätte es dir gleich erklären sollen«, sagte Connor an mich gewandt. »Stephanie war auch in dem Zeichenkurs, den ich besucht habe, und nach dem Zeichnen sind wir manchmal noch in so eine unglaublich tolle Milchshake-Bar gegangen. Da gibt es jede Geschmacksrichtung, die du dir vorstellen kannst.«

»Nächstes Mal musst du unbedingt auch mit, Anna! Connor hat mir erzählt, dass du auf Süßes stehst. Die bieten sogar Milchshakes mit Nutella-Geschmack an, das ist doch genau dein Ding!« Stephanie lächelte und verlagerte den Bücherstapel, den sie im Arm trug.

Connor hatte ihr von meiner Vorliebe für Nutella erzählt? Ich gab mir Mühe, nicht eifersüchtig auf dieses Mädchen zu sein, das nicht nur eine coole Frisur, sondern offenbar auch eine künstlerische Ader hatte und die Osterferien mit Connor in einer Milchshake-Bar verbracht hatte.

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